Nachhaltigkeit beginnt in den Köpfen und im Alltag

Seit dem Frühjahr bringt unsere Kollegin Prof. Dr. Isabel Kuperjans als neue Prorektorin für Forschung, Innovation und Transfer ihre Expertise an der FH Aachen in Energietechnik ein. Ihr Ziel: Die FH und die Region Aachen ressourcenschonender aufzustellen. Nachhaltigkeit beginnt für sie in den Köpfen und im Alltag: „Ich fahre bewusst Fahrrad – als kleines, wirkungsvolles Zeichen.“

Seit 2006 ist sie für Carpus+Partner tätig und entwickelt als Expertin für smarte Energiekonzepte Energiemasterpläne für Gebäude und Quartiere – mit dem Ziel, durch innovative Anlagentechnik einen möglichst ressourcenschonenden und CO₂-armen Gebäudebetrieb zu ermöglichen.

Lesen Sie in das Interview mit Isabel Kuperjans rein und lassen Sie sich inspirieren!

 

Du bist jetzt sowohl in der Hochschulleitung als auch bei Carpus+Partner in der Energieberatung tätig. Was ist das Besondere an dieser spannenden Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft?
Als Wissenschaftlerin habe ich Ideen und das Vertrauen, dass sie funktionieren – als Energieberaterin kenne ich die praktischen Hürden, etwa beim Budget. Und genau zwischen einer Superidee und Realität entsteht Innovation. Seit 19 Jahren bei Carpus sehe ich: Was einst revolutionär war – wie die Wärmepumpe – ist heute Standard.

Was hat Dich in den ersten Wochen als Prorektorin überrascht?
Die große thematische Vielfalt. Während ich zuvor vor allem im Bereich Forschung tätig war, bin ich als Rektoratsmitglied nun mit sehr unterschiedlichen Themen innerhalb und außerhalb der Hochschule befasst.

Welche Ziele möchtest Du an der FH Aachen umsetzen?
Ich habe eine kleine, realistische Agenda: In meinen sechs Jahren als Prorektorin möchte ich Forschung und Transfer stärker in den Fokus rücken. Die FH soll zur Wissensschmiede werden und erste Ansprechpartnerin für Unternehmen und die Region, wenn es um neue Technologien geht – zum Ausprobieren, Umsetzen und Weiterentwickeln.

Welche konkreten Maßnahmen planst Du, um Nachhaltigkeit stärker in den Hochschulalltag zu integrieren?
An der FH arbeiten wir in einer Nachhaltigkeitskommission fachbereichsübergreifend an umsetzbaren Ideen. Nachhaltigkeit beginnt für mich mit Vorbildfunktion, der Rest braucht Zeit. Ich lebe und arbeite in Aachen – und fahre bewusst nur noch Fahrrad.

Wenn Du ein nachhaltiges Projekt sofort an der Hochschule umsetzen könntest, welches wäre das?
Ich würde die gesamte Haustechnik in allen Gebäuden erneuern – von der Beleuchtung bis zu den Lüftungsanlagen. Damit ließen sich sicher 50 % Energie einsparen. Leider sind wir nur Mieter der Gebäude.

Wo siehst Du das größte Potenzial für innovative Forschung an der FH Aachen?
Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung verändert unsere Region grundlegend. Passend dazu fokussiert die FH Aachen ihre Forschung auf Energie, nachhaltiges Bauen, Life Science, Mobilität und – als Querschnittstechnik – Digitalisierung.

Welche Vision hast Du für die Hochschulbildung in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit soll an der Hochschule selbstverständlich gelebt werden – nicht als Pflichtübung, sondern aus Überzeugung. Wir treiben das Thema strategisch voran, genauso wie Digitalisierung und Internationalisierung. Viel wichtiger als jedes Modul ist, dass Nachhaltigkeit in den Köpfen ankommt – durch Haltung, nicht nur durch Lehrpläne.

Wie möchtest Du die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Industrie stärken?
Die enge Zusammenarbeit mit der Industrie lebt vom Austausch über Köpfe – Studierende, Forschende und Unternehmen kennen sich. Mit Partnern wie den Aachener Building Experts oder dem Verein Energiewirtschaft und Informatik gelingt das gut. Ein Beispiel: Weil der Bedarf groß war, haben wir gemeinsam mit Carpus+Partner den Studiengang Smart Building Engineers entwickelt – für eine praxisnahe Ausbildung in einem zukunftsrelevanten Bereich.

Welche Erfahrungen von Carpus+Partner bringst Du in Deine neue Rolle ein?
Seit 19 Jahren prägt mich bei Carpus vor allem eines: Vertrauen. Schon nach drei Tagen durfte ich ein Angebot schreiben – ein echter Vertrauensvorschuss. Ich vertraue darauf, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, ihr eigenes Knowhow gut einbringen werden. Mich reizt die Interdisziplinarität: Architektur, TGA und Prozesstechnik zusammen – so entsteht energieeffiziente Produktion. Die C+P Werkstatt war ein echtes Highlight: kreativ, praxisnah und voller Raum zum Ausprobieren.

Wie kann die Bau- und Planungsbranche von stärkerer Zusammenarbeit mit Hochschulen profitieren – und umgekehrt? Transfer findet über Köpfe statt.
Hochschulen und Unternehmen profitieren voneinander, wenn Köpfe zusammenarbeiten. Studierende bringen frische Ideen und hinterfragen den Status quo – genau dieses Weiterdenken kann die Bau- und Planungsbranche voranbringen.

Wie kann eine Hochschule als Vorbild für nachhaltiges Bauen und Leben fungieren?
Wir sind als Hochschule Mieter und sind vom Vermieter abhängig, wie energieeffiziente Maßnahmen umgesetzt werden können. Wir schaffen das nur über das Thema Interdisziplinarität, wir haben Studiengänge wie Smart Building Engineer, Architektur, Bauingenieurwesen und Maschinenbau und versuchen die Studis aus unterschiedlichen Studiengängen zusammenzubringen, um sie besser auf die Berufswelt vorzubereiten.

Was hat Deine Leidenschaft für Nachhaltigkeit geweckt?
Im Studium las ich Faktor 4 – erst skeptisch, dann überzeugt: Wir können unseren Energiebedarf auf 25 % senken. Einfache Beispiele wie LED statt Glühbirne zeigen das deutlich. Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen hat mir außerdem gezeigt, dass Nachhaltigkeit viel mehr ist als nur Energie – eine Entwicklung aus vielen kleinen Schritten.

Professorin, Prodekanin, Energieberaterin, Familienmanagerin – das ist Multitasking in Reinform.
Ich bin es gewohnt, mich voll in Aufgaben reinzuknien – das war schon bei der Promotion so. Trotzdem nehme ich mir Zeit für meine Familie, weil ich ein starkes Team habe, das mitzieht und entlastet. Und: Ich setze klare Prioritäten. Nicht alles muss sofort passieren.